17 Zie­le im Fokus mit Jür­gen Marek -
Ver­tre­ter von HARBURG21 im NFH

Jür­gen Marek ver­tritt im Nach­hal­tig­keits­fo­rum Ham­burg das Nach­hal­tig­keits­Netz­werk HARBURG21, in dem er seit 1996 mit­ar­bei­tet. Gegrün­det als Loka­le Agen­da 21-Initia­ti­ve im Bezirk Har­burg ver­steht es sich als gemein­nüt­zi­ge Informations‑, Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Ver­net­zungs­platt­form zur För­de­rung der Agen­da 21-Pro­zes­se und der nach­hal­ti­gen Ent­wick­lung. In den letz­ten Jah­ren steht zuneh­mend die Umset­zung von Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung (BNE) auf bezirk­li­cher Ebe­ne im Fokus.

Jür­gen  beschäf­tigt sich seit Jah­ren mit der Umset­zung des Leit­bil­des BNE. In sei­ner frü­he­ren Tätig­keit als Leh­rer und Schul­lei­ter hat er viel­fäl­ti­ge Erfah­run­gen mit der Gestal­tung einer Schu­le unter die­sem Leit­bild gemacht. Ins­be­son­de­re die 10-jäh­ri­ge Ent­wick­lung sei­ner Schu­le im Rah­men der Arbeit als Pro­jekt­schu­le der „UN-Welt­de­ka­de BNE“ hat vie­le Impul­se und Erfah­run­gen zur Umset­zung von nach­hal­ti­gem Den­ken und Han­deln erbracht, die sich auch auf die Arbeit zur nach­hal­ti­gen Ent­wick­lung im Bezirk aus­ge­wirkt haben.

HARBURG21 unter­stützt mit sei­ner Arbeit die Umset­zung des „Mas­ter­plans BNE 2030“ im Bil­dungs­be­reich Bezir­ke, denn nach­hal­ti­ge Akti­vi­tä­ten und Pro­jek­te kön­nen gera­de hier im eige­nen Lebens­be­reich bei­spiel­haft gestal­tet wer­den. Das stärks­te Moment der Ver­än­de­rung  ist die  geleb­te Pra­xis selbst. Hier­durch kön­nen   die kom­ple­xen Begrif­fe Nach­hal­tig­keit und BNE mit erleb­ba­ren und kon­kre­ten Inhal­ten gefüllt wer­den. Unter dem Mot­to „Mehr von­ein­an­der wis­sen! Mehr selbst tun!“  wer­den    Akteu­re ver­netzt, zum eige­nen Nach­den­ken ange­regt   und ins­be­son­de­re auch Han­deln für mehr Nach­hal­tig­keit in eige­nen Lebens­be­rei­chen ange­regt. Ein kon­kre­tes For­mat die­ser Umset­zung ist der Har­bur­ger Nach­hal­tig­keits­preis, den die Bezirks­ver­samm­lung 2013 ein­stim­mig beschlos­sen hat. Seit 10 Jah­ren wur­den durch die­sen Preis 184 nach­hal­ti­ge Pro­jek­te als Vor­bild und Ideen­ge­ber durch HARBURG21, die Poli­tik und die Bezirks­amts­lei­tung her­aus­ge­ho­ben und in Aus­tausch und Kon­takt gebracht. Ziel ist eine Wei­ter­ent­wick­lung von vie­len Ein­zel­ak­ti­vi­tä­ten zu einer wirk­sa­men Struktur.

 

 

Jür­gen Marek von HARBURG21

 

Jür­gen, Du setzt dich mit HARBURG21 haupt­säch­lich für das SDG 4 „Hoch­wer­ti­ge Bil­dung“, das SDG 11 „Nach­hal­ti­ge Städ­te und Gemein­den“ und das SDG 13 „Maß­nah­men zum Kli­ma­schutz“ ein, wie kannst du die­se Arbeit ins NFH einbringen?

Zur über­ge­ord­ne­ten Ver­net­zung der Arbeit von HARBURG21 enga­gie­re ich mich in der AG Bil­dung des NFH.

Denn HARBURG21 folgt mit sei­ner Arbeit dem Kon­zept der Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung (BNE), wonach Kli­ma­wan­del und welt­wei­ter Gesell­schafts­wan­del untrenn­bar zusam­men­ge­hö­ren und ohne Bewusst­seins-Bil­dung nicht zu steu­ern sind. BNE will durch Lern- und Erfah­rungs­an­läs­se im täg­li­chen Leben im Bezirk, Men­schen in die Lage ver­set­zen, nach­hal­ti­ge Ent­schei­dun­gen für die Zukunft zu tref­fen und danach auch zu han­deln. Es geht dar­um, abzu­schät­zen, wie sich das eige­ne Han­deln auf künf­ti­ge Gene­ra­tio­nen und das Leben in ande­ren Regio­nen der Welt aus­wirkt. Ziel ist eine gesell­schaft­li­che Trans­for­ma­ti­on zum nach­hal­ti­gen Den­ken und Han­deln mit geleb­ten, päd­ago­gisch wirk­sa­me Hand­lungs­al­ter­na­ti­ven. Ver­än­de­rung setzt Mut und vor allem Vor­stel­lungs­kraft vor­aus, es braucht gute Ideen und kon­kre­te Vorbilder.

Ich freue mich, dass wir die lang­jäh­ri­gen Erfah­run­gen von HARBURG21 zur Nach­hal­tig­keits­kom­mu­ni­ka­ti­on und ins­be­son­de­re zur außer­schu­li­schen BNE auf kom­mu­na­ler Ebe­ne in die AG Bil­dung des NFH ein­brin­gen kön­nen. Wich­tig ist uns auch die erfolg­rei­che Umset­zung und Gestal­tung des „Mas­ter­plans BNE 2030“, an des­sen Ent­wick­lung ich für den Bereich Bezir­ke als Spre­cher der Zivil­ge­sell­schaft betei­ligt war.

 

Wie bewer­test du den Umset­zungs­stand der SDGs in Hamburg?

Die 17 Zie­le mit ihren 169 Unter­zie­len sind zunächst als glo­ba­ler Akti­ons­plan ein sehr theo­re­ti­sches Kon­strukt. Es sind aber kon­kre­te Umset­zun­gen hier­zu in allen unse­ren Lebens­be­rei­chen gefor­dert, was noch nicht wirk­sam genug gelingt. Als Per­spek­ti­ve für die Umset­zung domi­niert immer noch ein „nice to have“, unser Ziel ist aber ein „must have“ für SDGs und BNE.

Es gibt bereits vie­le erfolg­rei­che Akteur:innen zur Umset­zung der SDGs in  Zivil­ge­sell­schaft, Poli­tik und Ver­wal­tung. Berüh­ren die SDGs in ihrer Bedeu­tung und Trag­wei­te aber wirk­lich gro­ße Tei­le der Bevöl­ke­rung? Hier feh­len häu­fig Struk­tu­ren, die die Umset­zung der SDGs durch Hand­lungs­mo­del­le erleb­bar machen. Ins­ge­samt besteht noch eine zu gro­ße  Lücke zwi­schen Den­ken und Han­deln. Es fehlt auch eine stär­ker adres­sa­ten­be­zo­ge­ne Zuwen­dung zu Bevöl­ke­rungs­grup­pen, die noch nichts oder nur wenig mit SDGs und BNE anfan­gen können.

 

Wor­in siehst du die größ­ten Hebel­punk­te und Poten­zia­le für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung in Hamburg?

Bil­dung ist der Kata­ly­sa­tor für die Siche­rung und Gestal­tung einer bes­se­ren und nach­hal­ti­gen Zukunft. Die wirk­sa­me sys­te­mi­sche Umset­zung von BNE hat hier­für eine her­vor­ra­gen­de Bedeutung.

Kon­kret bedeu­tet die­ses auch Lern­erfah­run­gen, die die Ebe­ne der Wis­sens­ver­mitt­lung über­schrei­ten und die SDGs in ihren Zie­len und Inhal­ten per­sön­lich erfahr­bar machen. Die­ses geschieht nicht von allei­ne, son­dern erfor­dert beson­de­re For­ma­te, wie etwa in der Arbeit von HARBURG21 mit dem For­mat „Har­burg grün und fair“. Die­ses lang­jäh­ri­ge Ange­bot bringt vie­le Adres­sa­ten­grup­pen zu loka­len The­men der nach­hal­ti­gen Ent­wick­lung zusam­men. Ziel ist es, der Öffent­lich­keit nied­rig­schwel­li­ge Mög­lich­kei­ten zur Teil­ha­be an der nach­hal­ti­gen Ent­wick­lung an ver­schie­de­nen Lern­or­ten im Bezirk aufzuzeigen.

Dau­er­haf­te Struk­tu­ren ent­ste­hen nur durch Ver­net­zung. Es geht dar­um, Men­schen mit Men­schen zu ver­bin­den, Men­schen mit Ideen und Inhal­ten und Men­schen mit Per­spek­ti­ven und gemein­sa­men Hand­lungs­mög­lich­kei­ten. So muss es uns auch viel bes­ser gelin­gen, Akteur:innen der Zivil­ge­sell­schaft,  der Poli­tik und der Ver­wal­tung in eine Alli­anz zur Umset­zung von SDGs und BNE zu brin­gen. Wich­tig ist auch die inhalt­li­che Ver­net­zung von Ham­burg-wei­ten Akti­vi­tä­ten wie die Ent­wick­lung des Ham­bur­ger Kli­ma­plans, des Mas­ter­plans BNE und der SDGs. Es gilt  auf allen Ebe­nen die­se Ein­zel­strän­ge in einer gemein­sa­men Struk­tur bes­ser zu bün­deln und zu verzahnen.

Bürger:innenbeteiligung ist ein wich­ti­ger Bestand­teil nach­hal­ti­ger Ent­wick­lung. Eine Vor­aus­set­zung für ihr Gelin­gen ist die Ent­wick­lung ech­ter Betei­li­gungs­for­ma­te, die über Trans­pa­renz und Infor­ma­ti­on hin­aus­ge­hen. Wirk­sa­me Struk­tu­ren sind offe­ne Betei­li­gungs­for­men wie Bürger*innenräte und Nach­hal­tig­keits- und Kli­ma­werk­stät­ten. Die Umset­zung des Demar­chie­prin­zips ist hier eine zukunfts­wei­sen­de Umset­zungs­mög­lich­keit. Grund­idee der Demar­chie ist, dass Bürger*innen Gre­mi­en zuge­lost wer­den, die sich mit Hil­fe von Doku­men­ten und Exper­ten zu einem The­ma infor­mie­ren, bera­ten und schließ­lich Ent­schei­dungs­vor­schlä­ge machen. Das Zufalls­prin­zip garan­tiert eine hohe Legi­ti­ma­ti­on und neue Perspektiven.

 

Was sind aus dei­ner Sicht die not­wen­di­gen nächs­ten Schrit­te für die Umset­zung der SDGs in Hamburg?

Setzt man sich Zie­le, so müs­sen die­se zwin­gend in ihrer Umset­zung eva­lu­iert wer­den. Es geht um eine Bewer­tung der bis­he­ri­gen Arbeit und um  Legi­ti­ma­ti­on und Steue­rung der wei­te­ren Arbeit. Die­ses gilt auch für die Ham­bur­ger Nach­hal­tig­keits­zie­le. Für Trans­pa­renz und Bewer­tung brau­chen wir ein wirk­sa­mes Moni­to­ring­sys­tem mit abge­stimm­ten und akzep­tie­ren Indikatoren.

Bereits erfolg­rei­che Maß­nah­men zur Umset­zung der SDGs müs­sen stär­ker auf allen Ebe­nen bekannt wer­den. Hier­bei soll­ten weni­ger rezep­ti­ve For­ma­te wie Berich­te, Vor­trä­ge und Stell­ver­tre­ter­dis­kus­sio­nen im Vor­der­grund ste­hen, son­dern nied­rig­schwel­li­ge offe­ne digi­ta­le und ana­lo­ge Prä­sen­ta­ti­ons- und Aus­tausch­for­men, die eine akti­ve Betei­li­gung bewusst anbieten.

Auch gilt es den Gesichts­punkt aus­rei­chen­der Res­sour­cen für eine stär­ke­re Ein­be­zie­hung päd­ago­gi­scher Exper­ti­se bei der Umset­zung der SDGs stär­ker in den Blick zu nehmen.

 

Was ist dei­ne per­sön­li­che Visi­on für Ham­burg im Jahr 2030?

Bereits 1979 erlang­te der Natur- und Tech­nik­phi­lo­soph Hans Jonas mit sei­nem Buch „Das Prin­zip Ver­ant­wor­tung“ welt­wei­te Aner­ken­nung. In Anleh­nung an Kant´s Kate­go­ri­schen Impe­ra­tiv ent­wi­ckelt Jonas einen „öko­lo­gi­schen Impe­ra­tiv“ mit visio­nä­rem Charakter.

„Hand­le so, dass die Wir­kun­gen dei­ner Hand­lung ver­träg­lich sind mit der Per­ma­nenz ech­ten mensch­li­chen Lebens auf Erden. Oder nega­tiv aus­ge­drückt: Hand­le so, dass die Wir­kun­gen dei­ner Hand­lung nicht zer­stö­re­risch sind für die künf­ti­ge Mög­lich­keit sol­chen Lebens“

Die Umset­zung die­ser 44 Jah­re alten Aus­sa­ge ist auch heu­te noch aktu­ell.  Sie bedeu­tet für uns alle in allen unse­ren Lebens­be­rei­chen die Visi­on eines selbst­ver­ständ­li­chen Han­delns im Sin­ne der SDGs und des Leit­bil­des Bil­dung für nach­hal­ti­ge Entwicklung.

 

Vie­len Dank für das Inter­view, Jür­gen. Wir freu­en uns auf die wei­te­re gemein­sa­me Arbeit mit dir!

Die Fra­gen und das Inter­view wur­den vor­be­rei­tet von Dani­el Eckert, wis­sen­schaft­li­cher Refe­rent des NFH.