17 Ziele im Fokus mit Charlotte Mindorf -
Vertreterin des Landesjugendring Hamburg im NFH
Im Landesjugendring Hamburg (LJR) sind auf Landesebene tätige Jugendverbände und Arbeitsgemeinschaften zusammengeschlossen, um das selbstbestimmte, kreative und gemeinsame Handeln von Kindern und Jugendlichen in Hamburg zu fördern. Somit vertritt der LJR die Interessen von 20 Mitgliedsverbänden, drei assoziierten Organisationen und über 200.000 verbandlich aktiven Jugendlichen in der Öffentlichkeit – insbesondere gegenüber dem Senat, der Bürgerschaft, den Parteien, den Bezirksversammlungen und Behörden.
Unterstützt werden diese Anliegen durch verschiedene Beratungs- und Serviceangebote des LJR für die Hamburger Jugendverbände bei allen Fragen rund um das Gelingen von Jugendverbandsarbeit. Darüber hinaus gibt es Projekte und Angebote, wie beispielsweise den zweimal jährlich stattfindenden Jugendleiter*innen-Kurs, das Projekt „Prävention & Empowerment“, die Alternativen Stadtrundgänge oder die Zeitschrift „punktum“, die viermal im Jahr erscheint.
Charlotte Mindorf ist seit 2016 Referentin für außerschulische Jugendbildung beim Landesjugendring Hamburg e.V. Sie ist dort für die Projektbereiche Historisch-politische Bildung, Internationales und Prävention sexualisierter Gewalt sowie für Grundsatzfragen verbandlicher Jugendarbeit zuständig. Themen, die sie im Bereich der Grundsatzfragen momentan beschäftigen, sind Partizipation, Engagementförderung, Inklusion und Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Ehrenamtlich kam Charlotte schon früh mit dem Thema BNE in Berührung, da sie sich viele Jahre lang bei der BUNDjugend Hessen engagierte. Sie machte 2010/2011 ein Freiwilliges Ökologisches Jahr in der Bundesgeschäftsstelle der BUNDjugend und war von 2013 bis 2015 Mitglied des Bundesvorstands der BUNDjugend. Im Rahmen des Hamburger Masterplans BNE 2030 sitzt Charlotte für den Landesjugendring im Forum Außerschulische Bildung, für welches sie Anfang 2022 als zivilgesellschaftliche Leitung gewählt wurde. In dieser Funktion nimmt sie auch regelmäßig an den Sitzungen der Steuerungsgruppe des Masterplans teil.
Charlotte, wo liegen eure Schwerpunkte in der thematischen Arbeit mit den UN-Nachhaltigkeitszielen und wie kannst du diese Arbeit ins NFH einbringen?
Ich vertrete den Landesjugendring seit November 2022 im Nachhaltigkeitsforum sowie in der AG Bildung. Gerade für junge Menschen ist Bildung für nachhaltige Entwicklung im außerschulischen Bereich ausbaufähig. Hier fehlt es in Hamburg nicht an Engagement, sondern vor allem an Ressourcen personeller, zeitlicher und räumlicher Art, wofür wir ein Sprachrohr sein möchten. Die Perspektive junger Menschen darf gerade bei Zukunftsthemen nicht verloren gehen, jedoch sind Kinder und Jugendliche nur in 24 von 170 Unterzielen der SDGs erwähnt.
SDG 1, Keine Armut, ist ein Themenfeld, welches konkret junge Menschen in Hamburg betrifft, denn gerade Kinder und Jugendliche gehören zu den besonders gefährdeten Personengruppen. Einkommensschwache Familien müssen bei der Stadtentwicklung hinsichtlich sozialen Wohnungsbaus, öffentlichem Nahverkehr und gerechten Bildungschancen stärker unterstützt werden. Es besteht auch in Hamburg seitens der Politik in den kommenden Jahren verstärkt Handlungsbedarf, um Armut und Ungleichheit entgegenzuwirken.
Junge Menschen sind besonders suchtgefährdet. Aber nicht nur mögliche Süchte wie Drogenmissbrauch, Internetabhängigkeit oder Alkoholkonsum stellen eine Gefahr dar, sondern zunehmend auch die psychischen Belastungen und Krankheiten in Folge der Corona-Pandemie, was beispielsweise die COPSY-Befragungen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf verdeutlichen. Besonders Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligen Familien sind davon betroffen; darüber hinaus fehlt es an Therapieplätzen. Junge Menschen müssen bezüglich SDG 3, Gesundheit und Wohlergehen, stärker in den Blick genommen werden.
Es fehlt hinsichtlich SDG 4, Hochwertige Bildung, an einem wirklichen Austausch zwischen den Behörden, Verbänden und den vielfältigen Zielgruppen. Generell müssen Kinder und Jugendliche kostenlose, gerechte und gleichberechtigte Zugänge zu formeller, in-formeller und non-formaler Bildung erhalten, was in Hamburg bisher unzureichend der Fall ist. Die Stadt ist in der Verantwortung, allen Zielgruppen den Zugang zu hochwertiger Bildung zu ermöglichen.
Wie bewertest du den Umsetzungsstand der SDGs in Hamburg?
Hamburg ist auf einem Weg, der noch ausbaufähig ist. Den Behörden und den Akteuren, die sich mit Nachhaltigkeitsfragen beschäftigen, sind die 17 Ziele bekannt, aber noch nicht der Breite der Bevölkerung. Die Öffentlichkeitsarbeit diesbezüglich muss ausgeweitet werden. Die Fridays for Future Bewegung hat die SDGs bei vielen jungen Menschen bekannt gemacht. Doch auch bei schwer erreichbaren Zielgruppen – wie Migrant*innenjugendselbstorganisationen oder Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen Verhältnissen - müssen wir die 17 Ziele bekannt machen.
Worin siehst du die größten Hebelpunkte und Potenziale für nachhaltige Entwicklung in Hamburg?
Das Nachhaltigkeitsforum und der Hamburger Masterplan BNE 2030 - durch seine Steuerungsgruppe und die verschiedenen Austauschformate der sechs Foren – bringen viele wichtige Akteure zusammen, aber das ist noch nicht ausreichend und greift nicht langfristig genug. Es muss auch über das Verhältnis von BNE und Nicht-Nachhaltigkeit gesprochen werden, da BNE überindividuelle Aspekte bezüglich Wirtschaft und Gesellschaft oft nicht miteinbezieht Die Bedeutung der SDGs muss allen auf allen gesellschaftlichen Ebenen bekannt sein und Einzug in alle Lebensbereiche erhalten. Eine verstärkte Konzentration auf diese, aktives Handeln sowie der Wille zu einer gemeinsamen Transformation sind unerlässlich, um Hamburg für die Zukunft fit zu machen.
Was sind aus deiner Sicht die notwendigen nächsten Schritte für die Umsetzung der SDGs in Hamburg?
Die vielen Unterziele der SDGs können den Blick auf Hamburg schärfen und diesen ausweiten. Es hilft nicht, nur die lokalen Probleme anzugehen, sondern diese müssen mit globalen Faktoren in Zusammenhang gebracht werden, wenn sich Hamburg als „Tor zur Welt“ verantwortungsbewusst und zukunftsorientiert präsentieren möchte. Damit dies ganzheitlich und nachhaltig gelingen kann, muss das Engagement der Bewohner*innen der Stadt gefördert und die Zivilgesellschaft verstärkt in transparente Beteiligungsprozesse eingebunden werden.
Was ist deine persönliche Vision für Hamburg im Jahr 2030?
Meine Vision für das Jahr 2030 ist „das Gute Leben“ für alle. Wir nutzen Synergieeffekte, gestalten Leben und Arbeitswelt nachhaltig, beteiligen alle Menschen an Partizipationsprozessen und gestalten das alltägliche Leben durch Faires Handeln. Darüber hinaus nehmen wir die Anliegen junger Menschen ernst und beteiligen diese umfassend.
Vielen Dank für das Interview, Charlotte. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit dir!
Die Fragen und das Interview wurden vorbereitet von Daniel Eckert, wissenschaftlicher Referent des NFH.